Wie Interviews gehandhabt werden – für Insider und Outsider

Derzeit (Juli 2009) gebe ich täglich 1-3 Interviews, Print, Audio, Video, meist mit recht ähnlichen Fragen, so dass der Termin notorisch knapp ist: 40jährige Jubiläen sieht man ja erst eine Woche vor dem Termin kommen… Bei Zeitungsinterviews habe ich im e-Mail-Zeitalter eine grosse Effizienzsteigerung erreicht, indem mir die Fragen online gestellt werden und mit möglichst genauem Wunsch des Gesamtumfanges. Damit liess sich dem amerikanischen Sprichwort “do it right the first time” jeweils am besten Genüge tun. Zum Vorteil beider Seiten! Aus welchen Gründen auch immer (weil der Interviewer dann 100mal mehr profitiert als der frondienstliche Interviewte?) werden jedoch ausgerechnet bei solchen stark belasteten Jubiläen partout “klassische” Interviews abverlangt – trotz meinen Einwänden. Als erstes kommen dann erstaunlich spät Rückfragen, weil akustische oder andere Unklarheiten aufgetreten sind oder sich die Notizen des Interviewers als total ungenügend erwiesen haben. Dann mache ich die Arbeit zum ersten Mal zweimal, indem ich die Fragen erneut beantworte – mit der Qual der Wahl, wie “raffiniert” ich mich wohl vorher mit weniger Zeitknappheit formuliert hatte. Dann erst erhalte ich die erste Interview-Version zurück, natürlich viel zu lang, mit der Bitte, sie zu kürzen. Dabei entdecke ich Sätze, die überhaupt nicht von mir stammen oder von mir niemals so formuliert worden wären. Also steht man vor dem Dilemma, ob man die Arbeit nun noch ein drittes Mal machen will und sehr viel Antwort-Substanz vom ersten Versuch aus dem Fenster wirft – oder aus Zeitgründen gar nicht mehr reagieren kann und dann von irritierten Lesern Bericht bekommt, sie seien vom Interview total enttäuscht gewesen. Also macht man die Arbeit lieber zum dritten Mal und arbeitet bis in die Nacht hinein – natürlich zum dritten Mal gratis. Trotz solchem Expressdienst kommt es häufig vor, dass man dann nach einer Woche ohne Entschuldigung zu hören bekommt, “die Berücksichtigung der Korrekturen ist aus Zeitgründen nicht mehr möglich gewesen”. Dann war der Frondienst auch noch für die Katz, alles nur, weil wieder jemand ein 40-Jahr-Jubiläum erst 48 Stunden vor Redaktionsschluss hat kommen sehen. Falls dagegen noch etwas Zeit geblieben ist, kommt Runde 4. Bei den Kürzungen haben sich Sinn-entstellende Fehler eingeschlichen, die den Redaktor natürlich weniger stören als den Autor, weil ersterer seine eigenen Formulierungen erkennt, die ihn so wenig stören wie einen Analphabeten die Rechtschreibereform. Lassen wir eine fünfte Runde – Sie haben mich verstanden. Fragen wir uns lieber, wie man es von Anfang an hätte richtig machen können! Eben: per e-Mail, absolut ohne Missverständnisse. Man bedenke: es muss auf Biegen und Brechen ein Experte sein, den man (miss)braucht, aber dann weiss derjenige, der den Text offenbar nicht selber hat schreiben können, doch wieder alles besser. Ohne jedes Verständnis für den Experten, der sich, wenn schon, immer noch lieber mit seinen eigenen Texten blamiert, während der “Auftraggeber” kassiert.
Korrektur: Gratis ist im Falle von TV-Interview ev. nicht ganz richtig – ich zahlte sogar schon für meine Arbeit per Zwangsgebühr an den staatlichen Sender! Längst nicht mehr…

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