Interview im Berner Bund 3. Februar 2003

Nächster Flug «im Sommer»
Interview im Berner Bund vom 3.2.2003

zur sache: Bruno Stanek

Raumfahrtexperte, Fachbuchautor und Autor von CDs und DVDs

«bund»: Herr Stanek, beim Start der «Columbia» hat sich ein Schaumstoffteil
eines Aussentanks gelöst und einen Flügel getroffen. Ist das die mögliche
Absturzursache?

Bruno Stanek: Das ist auch bei früheren Flügen schon vorgekommen – immer ohne Folgen. Getroffen wurde fast sicher nur die Vorderkante eines Flügels, die sehr robust ist und bis 2000 Grad aushält. Der Fehler vor dem Absturz ist jedoch zuerst hinten aufgetreten, beim Tempreatursensor der Hydraulik der Landeklappen, und hat sich dann weiter vorne im Fahrwerkschacht manifestiert. Es ist also denkbar, dass dieser Zwischenfall beim Start mit dem Absturz gar nichts zu tun hat.

Wie gross die Wahrscheinlichkeit, dass man die Ursache des Absturzes herausfindet?

Sehr gross, ich schätze auf Grund der besseren Voraussetzungen als bei Challenger über 95%; damals hat man den Fehler 100%ig eruiert. Man hat schon sehr viele Trümmerteile gefunden, die bei der Suche nach Ursachen helfen werden. Vielleicht noch wichtiger ist aber die Auswertung der Datenübertragungen vom Bordcomputer zur Bodenstation, also die Telemetrie, von der mindestens 6 Minuten auf der Erde gesichert sind, und der Vergleich mit allf. verdächtigten Schwachstellen in den drei Flugeinheiten in den Hangars.

Wieso könnten die Teile, die gefunden werden, giftig sein?

Die sind nicht so giftig, aber man lässt die Finder das besser glauben. Einzig der Lagekontrolltreibstoff, der nicht harmlos wäre, verdunstet relativ schnell. Je mehr Leute davon abgehalten werden, sich Souvernirs zu besorgen, desto besser für die Untersuchung.

Nach der «Challenger»-Katastrophe war für die Shuttle-Flüge mehr über zwei Jahre Pause. Wie lange wird jetzt ausgesetzt?

Ich würde mich nicht wundern, wenn man innerhalb eines halben Jahres schon

wieder startet. Im Moment sind zwei Amerikaner und zwei Russen in

der Internationalen Weltraumstation. Sie haben zwar ein Sojus-Rettungsboot,

aber es zu nutzen, wäre für sie eher unangenehmer (Astronaut Merbold nannte es einen ‘kontrollierten Autounfall’…) als die normale Rückkehr in einem Shuttle. Man wird mit grosser Wahrscheinlichkeit versuchen, sie im Sommer mit einem Shuttle-Flug zurückzuholen und gegen die 7. Expeditionsmannschaft in der ISS auszuwechseln. Ich glaube nicht, die Russen würden eine längere Sicherheitspause einlegen. Astronauten sind traditionsgemäss glücklich über Verzögerungen – es gefällt ihnen dort oben. Bis Juli reichen ihre Vorräte problemlos aus.

Dennoch: Wie sicher ist die Raumfähre?

Von 113 Flügen sind 111 gut verlaufen. Unbemannte Raketen sind kaum so zuverlässig. Jetzt muss man herausfinden, welche gefährlichen Limiten dieses Mal überschritten wurden. Dann kann man sofort wieder fliegen.

Gerade für Programm der Internationalen Weltraumstation ISS ist der Absturz aber doch ein herber Rückschlag?

Im Moment ist immer alles ein Rückschlag, am allermeisten für die Kollegen der Verunglückten in Houston. Langfristig zieht man aus solchen Unfällen aber Lehren, die für die Zukunft jedes Mal entscheidend waren. Und die Budgets, die von Ökonomen immer wieder abgezwackt werden, stockt man vorübergehend wieder auf.

Nach diesem Absturz fragt es sich einmal mehr, was der Sinn der bemannten Raumfahrt sei.

Mit bemannten Flügen können Probleme gelöst werden, die selbst mit wiederholten umbemannten Flügen nicht gelöst werden könnten; denken sie etwa an Reparatur und Wartung des Hubble-Teleskops. Mir fällt auf, dass diese Frage oft von den gleichen Leuten gestellt wird, welche sich beklagen, die Raumfahrt sei nicht mehr spannend, sobald man nicht mehr bemannt fliegt.

Interview: Rudolf Burger

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