Weltraumberichterstattung, ein Evergreen

Die Unzufriedenheit eines gründlich fernsehenden Zuschauers mit einer nach seinem Urteil dilettantischen Erinnerungssendung an die erste Mondlandung Apollo 11 in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 hat mich kürzlich wieder einmal dazu verleitet, einiges klarzustellen. Ich hatte das historische Ereignis nämlich als Kommentator im Schweizer Fernsehen im besten Alter von 25 Jahren gründlich vorbereitet als ETH-Doktorand mit heute unbeschreiblichem Publikumserfolg über die Bühne gebracht.
Mein Mail an den total enttäuschten Zuschauer habe ich dann weiterverarbeitet zu dieser Webseite auf meiner Homepage für alle, die es genau wissen wollen.

Zu meiner frühen Fernsehzeit ab 1968 war noch vieles von Zufällen geprägt, denn das Schweizer Fernsehen war erst 15 Jahre alt. Apollo 8 bis 11 wurde noch von verschiedenen Regisseuren geleitet und von diversen Moderatoren geführt. Erst Walter Klapper (1932-2015) wurde ab Apollo 12 (November 1969) nach Streit zwischen Regisseur Kuhn und dem damaligen TV-Wissenschaftsdirektor Dr. Eduard Stäuble bei Apollo 11 in der berühmten “Mondnacht” während Jahren zum immer erfahreneren Apollo-Regisseur. Walter Klapper war auch interessiert am Thema, und hatte dank Verständnis für das Showbusiness in aller Welt gesehen, welche Chancen beim Publikum in diesen Mondflügen steckten. Wir ergänzten uns auch mit gegenseitigen Inspirationen, wie die Sendungen mit mir im Studio optimal gestaltet werden konnten. Er war der unermüdliche Schaffer, der zusammen mit mir immer wusste, wie Archivmaterial korrekt eingebaut werden musste oder was man nach dem Abschluss einer Mondmission löschen konnte und was sich zur Aufzeichnung lohnte. Seine Vorgänger hatten dabei noch massiv gesündigt, wenn nicht gerade der frühe Zustand der TV-Technik schuld war, dass etwas verloren ging. Dabei ist zu beachten, dass eine stündige Sendung ein Ampex-Band von der Grösse eines Emmentaler-Käselaibs 4000 Franken kostete und man sich jedes Mal überlegen musste, was sich zu archivieren lohnte. Für die meist wissenschafts-unkundigen und daher oft technik-feindlichen “Poeten” war das immer nur Sport, Unterhaltung und Krimis.

Erst ab etwa Apollo 14 (1971) war ich bei diesen Entscheiden immer mehr einbezogen und Klapper und ich schlugen zumindest vor, was aufgezeichnet werden sollte. Bis dahin gab es nur (von Zuschauern aufgenommenes) Audio, bestenfalls Super-8 oder dann 16mm-Film ab Bildschirm, was sich aber nur wohlhabende Zuschauer leisten konnten. Von Zuschauern kamen dann ganz seltene Trouvaillen aus der frühen TV-Zeit gelegentlich zurück zu mir und wurden von dort ab etwa dem Jahr 2000 von Videobändern in diversen Formaten einheitlich digitalisiert, zusammen mit isolierten 16mm-Sequenzen aus dem Studio oder TV-Archiv als Beta-Max oder gar Ampex-2-Zoll-Profi-Bändern. Immer ganz abenteuerlich auf dem buchstäblichen Latrinenweg zusammen mit Klapper! Einerseits wussten oft nur Walter und ich, was wo war oder wie dies in moderne Formate überspielt werden konnte.

Andere hatten, ausser vielleicht bei der Tagesschau, überhaupt kein Interesse, Archivmaterial zum Thema Mond zu erhalten oder gar bei Wiederholungen auszustrahlen. So kam es allerdings auch, dass bei wichtigen Jubiläen nur die vordersten Bänder in den Schubladen zum x-ten Mal “gefunden” wurden, und das war nur immer Apollo 11 schwarzweiss oder musste sogar erneut angefordert werden von Eurovision oder NASA. Farbige NASA-16mm-Filme direkt vom Mond (konnten naturgemäss nie live sein, waren aber das Beste, was es überhaupt gab) waren fast ausnahmslos nur in meinen Sendungen oder später meinen CD/DVD-Lexika zu sehen. Farbige Live-TV-Sendungen aus dem Studio gab es (weil es bei Apollo 13 nicht zur Landung kam) erst ab Apollo 14, 15, 16 und 17 (Dezember 1972), aber das bekamen Zuschauer über Jahre fast nur ausführlicher zu sehen, wenn ich das Material für meine eigenen Sendungen hervorholte. Also z.B. in den beliebten Zusammenfassungen jeweils eine Woche nach jeder Mission, die von Apollo 14, 15 und 17 auf einem Band erhalten blieben, dessen Nummer ich wie meinen Augapfel hütete. Einzig die Original-Zusammenfassung von Apollo 16, die nach einem heissen und allseits erschöpfenden Arbeitstag gelöscht wurde, weil man noch gar nicht wusste, dass es mit Apollo 17 plötzlich die allerletzte Mondmission sein würde, die man dann freilich als erhaltenswert betrachtete. So stand es mir z.B. für die ZDF/ORF/SRG-Eurovisions-Sendung beim 10jährigen Apollo-11-Jubiläum 1979 zur Verfügung. Bei dieser war dann bereits der Schweizer Astronautenkandidat Claude Nicollier als Gast dabei! Diese Sendung brachte uns und mir viele Freunde und Millionen von Zuschauern auch in Osteuropa, die das Material vom Mond z.T. noch gar nie gesehen hatten!

Heute weiss auf Fernsehredaktionen überhaupt kaum mehr jemand Bescheid, und man kommt sich als Zuschauer oder erst recht als einstiger Moderautor oder Kommentator völlig blöd vor, wenn man alles noch genau weiss und nicht wie junge Redaktoren nie wusste, nie verstand – oder vergessen hatte. Auch nicht, dass alles ganz besonders erhaltenswerte auch auf meinen DVD-Lexika in 90% Studioqualität zu finden war – und nur ganz wenig komprimiert, so, wie es ältere Zuschauer in Erinnerung hatten!

Charles Raedersdorf als bewährter Moderator war von Apollo 11 an bis zur letzten Mission 17 dabei, dann bei Skylab 1-4 und Apollo-Sojus bis 1975. Mit diesem gut harmonierenden Trio wurden das die erfolgreichsten Weltraum-Livesendungen, die auch gegenüber der deutschsprachigen Konkurrenz aus dem Ausland bestehen konnte. Später gab es mit mir noch das 16-teilige Neues aus dem Weltraum (1975/76) zusammen mit Assistentin Regula, jeweils 25 Minuten ab 19 Uhr bis zur Werbung vor der Tagesschau. Später wieder Space Shuttle (solo Moderation und Kommentar!) 1981-1986 und viermal aus den USA mit Astronaut Nicollier 1992-1999, meist mit Peter Lippuner (MTW) oder dann auf dem Privatfernsehen – oder dem europ. Kanal 3SAT mit der Sendung “Berg und Geist”. Zuschauer sahen mich nochmals als ersten Gast (mit meinen jungen Söhnen…) im 3. Jahrtausend bei der Milleniumssendung am 31.12.1999 nach Mitternacht…

Bei «50 Jahre Apollo 11» hatte mich Eva Wannenmacher im Juli 2009 nochmals auf den Bildschirm geholt und dann auch noch Dani von Wattenwyl, vielleicht zum letzten Mal überhaupt, 2012 auf Tele Basel – beides ganz erfreulich erinnerungswürdig!

Wer über alle Jahre noch umfassendere Weltraumberichterstattung suchte, kam beim Goldauer Herbstvortrag ab etwa 2002 auf seine Rechnung, und das zumindest bis 2024:
http://stanek.ch/wordpress/vortrageupcoming/2023/11/goldauer-herbstvortrag-am-8-november-2024/
Als Print in der Weltwoche, DIE OSTSCHWEIZ, und v.a. im Aviatikermagazin COCKPIT 2004-2022, St.Galler Tagblatt, den Berner Zeitungen u.v.m.
Es war nicht immer so leicht, frei von der Leber weg – wie in den frühen Jahren – sprechen zu dürfen, mal auch positiv über die Russische Raumfahrt oder dann in den letzten Jahren auch mal negativ über NASA, aber es hat sich bald über 60 Jahre gelohnt, seiner Linie und der Bewunderung der Elite von Raumfahrtpionieren von Wernher von Braun, Sergei Koroljow bis zu Elon Musk treu zu bleiben. Oder auch Dilettantismus beim Namen zu nennen…

Nicht erst in dieser Zusammenfassung – schon früher ist das Drama über die Schweizer “TV-Kultur” Thema auf meiner Homepage erst auf Anregung von treuen Zuschauern Thema geworden:
http://stanek.ch/wordpress/weltgeschesen/2017/08/eine-zuschauerfrage-ab-wann-wurde-in-der-schweiz-tv-farbig-gesendet/
Ihnen allen erschien es noch viel bedauerlicher, wenn es immer wieder nur totale Unkenntnis war, welche dafür sorgte, dass wirklich Weltraum-interessierten Zeitgenossen das nachweisbar faszinierendste Thema nur verfälscht nähergebracht wurde.

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