Interview im Januar 2004 mit dem “Trek Zone Network”
(Star Trek Gruppe im Internet)
Mit freundlicher Genehmigung der Redaktoren.
TZN: Herr Dr. Stanek, wie denken Sie über Science-Fiction-Serien und insbesondere über “Star Trek” – kann die Serie auch heute noch etwas bewegen und die Menschheit dazu anspornen, in die unendlichen Weiten des Weltraums vorzudringen und irdische Kriege und Probleme zu vergessen?
Dr. Bruno Stanek: Als junger Mann war ich in meinen Vorträgen immer stolz auf mein als Hoffnung ausgesprochenes Motto, in Zukunft möge die Raumfahrt und nicht mehr der Krieg Vater aller Dinge sein. Damit waren schon damals alle einverstanden. In jener Zeit wurden in Europa weiterhin “Star Trek”-Episoden ausgestrahlt, und die hatten es bei mir schwer, Aufmerksamkeit zu erlangen. Für mich fand die Science-Fiction nämlich in Form des Apollo-Mond-Programmes täglich als “Science reality” statt!
Heute sehe ich die Wirkung der beliebten Science-Fiction-Serie auf das Weltrauminteresse des Zuschauers anders, weil ich den Menschen anders sehe als damals mit 25 oder 30 Jahren. Der “Apollo 13″-Film hatte mir zusätzliche neue paradoxe Erkenntnisse beschert – die Öffentlichkeit war 1970 so überwältigt und beängstigt vom Ereignis, dass das Konservenerlebnis nach 30 Jahren und die Fakten im Lexikon sie letztlich mehr faszinierten als die Wirklichkeit. Etwas überspitzt formuliert: Damals spielte sich die Science-Fiction in der Zukunft ab, heute eher in der Vergangenheit.
Dieses Zurückschauen auf vergangene Zeiten bremst den Fortschritt vor allem in Europa und anderen alten Welten stärker als zum Beispiel in China oder den USA, also Ländern, welche in die Zukunft blicken. Falls Science-Fiction-Filme die Zuversicht bezüglich unserer Zukunft, wie früher, wieder stärken können – ja, das wäre erneut sehr gut. Ich kenne die “Star Trek”-Geschichte vielleicht zu wenig, um entscheiden zu können, ob sie hierfür geeignet ist.
TZN: Richard C. Hoagland und das amerikanische Projekt Enterprise Mission sind überzeugt, dass mithilfe der deutschen Kamera HRSC an Bord von Mars Express ihre Theorien darüber, dass es auf dem Mars Leben gab oder gibt, untermauert werden können. Wie wahrscheinlich ist es, denken Sie, dass auf dem Mars oder an anderen Orten im Weltall tatsächlich fremdes Leben existiert hat oder noch immer existiert und dass die Menschheit eines Tages darauf stoßen wird?
Stanek: Ohne auf die These eingangs Ihrer Frage eintreten zu wollen, haben gerade diese jüngsten Missionen beim Mars die Aufgabe, der Frage nach Leben im All endlich näher zu kommen. Das Paradoxon besteht ja darin, dass wir von den Erkenntnissen der biologischen Evolution auf der Erde her erwarten dürfen, dass Leben rundherum im Universum blühen könnte. Trotzdem deutet bisher aber nichts auf eine offensichtliche Existenz außerirdischer Organismen hin, weder im bisher erforschten Planetensystem noch im elektromagnetischen Spektrum von ferneren Quellen.
Hingegen haben sich in den letzten Jahren die Anzeichen vermehrt, dass die physikalischen Bedingungen an den allermeisten Orten im Universum sehr viel lebensfeindlicher sind als man bisher glaubte, annehmen zu dürfen. Bei der NASA ist man nach den Erfahrungen mit den beiden im Übrigen sehr erfolgreichen Viking-Mars-Landern von 1976 diesmal schon zufrieden, wenn wenigstens die physikalischen Umweltbedingungen exakter abgeklärt werden. Ich wage daher keine Prognose, wie Beagle 2 die viel schwierigere Frage nach eindeutigen Lebensspuren beantworten wird.
TZN: Sie beobachten die Lage in der Schweiz über einen so langen Zeitraum wie kaum ein anderer. Woran mangelt es, dass man in der Schweiz in Sachen Astronomie und Raumfahrt über die letzten Jahrzehnte keine große Entwicklung erkennen kann und man bei der aktuellen Mars-Mission der ESA beispielsweise nur in einem eher kleinen Rahmen beteiligt ist?
Stanek: Interessant: Deutsche Kollegen wollen die gleiche Stagnation in ihrem Land genauso erkennen, und von England wollen wir gar nicht reden! Vielleicht gibt uns Italien eine Antwort, das doch lange Zeit in Europa nicht als gutes Beispiel gegolten hat. Seine klar definierten bilateralen Programme mit der NASA haben das Land zum unverzichtbaren Partner der USA im Raumfahrtbereich gemacht. Solche Zusammenarbeit musste eben nicht am offenbar unmöglichen Konsens innerhalb der alten Welt scheitern.
In der Schweiz kommt zu diesen Problemen noch die Erosion der industriellen Leistungsbereitschaft erschwerend dazu. Hier galt Astronomie und Raumfahrt ohnehin immer als “brotlos” und wird erst einige Jahrzehnte später interessant, wenn die Finanzinstitute dank der Risikobereitschaft anderer möglichst risikolos investieren können. Solche Denkweise hat zur heutigen Situation geführt.
TZN: Was würden Sie einem jungen Schweizer empfehlen (abgesehen von Auswandern…), wenn dieser vor der Berufswahl steht, in seinem Land in Sachen Raumfahrt gerne etwas bewegen möchte und das Ziel hat, eines Tages auf dem Mars “große Schritte für die Menschheit” zurückzulegen?
Stanek: Er möge sich an Claude Nicollier ein Beispiel nehmen! Er hat das Unmögliche möglich gemacht, nicht das Mögliche unmöglich. Er hat aber Physik studiert und auch nicht das harte Los eines Schweizer Militärpiloten gescheut, weil er von Anfang an wusste, dass er als Jurist oder Poet weniger Chancen hätte, Astronaut zu werden – sollte es diese Möglichkeit je geben. Es hat sie gegeben, und außer ihm hat das hierzulande kaum jemand erwartet!
Jungen Leuten möchte ich den Rat geben, die Hoffnung nie aufzugeben und vor allem die Chancen nie zu übersehen, welche sich in den USA bieten. Dazu muss man allerdings Amerika, seine Sprache und seine Kultur besser verstehen, als das durch den Konsum der Zerrbilder in europäischen Medien möglich ist.
TZN: Ist die Schweiz Ihrer Meinung nach eines Tages in der Lage, eigenständig etwas zu bewegen, oder wird das Land beispielsweise für mögliche eigene größere Mars-Projekte respektive -Missionsinstrumente auch in ferner Zukunft immer noch auf ausländische Hilfe angewiesen sein?
Stanek: Gemessen an der Größe der Schweiz fand ich es immer erstaunlich, wie viele Institute und Firmen doch immer wieder Bedeutendes geleistet haben! Sie mussten das aber oft ohne jegliche Unterstützung und gegen nie aussterbende Widerstände und Vorurteile tun. Letztere konnten jedoch große, koordiniertere Projekte oft verhindern.
Alle erfreulichen “Insellösungen” und Anfangserfolge gelangen jedoch dank der Initiative Einzelner. Ich denke hier an eine sehr große Zahl von Beispielen, welche von der Massenspektrometrie, Sonnen- und Meteoritenforschung an der Uni Bern und der ETH bis zu den Elektromotoren aus Sachseln, den Kupferlegierungen von der Firma Schmelzmetall in Gurtnellen bis zu weltweit konkurrenzfähigen Nutzlastverkleidungen reichen.
Wenn die Medien vor allem der hoch entwickelten Technik weniger kritisch gegenüberstehen würden und kompliziertere Zusammenhänge vielleicht sogar der Politik verständlich machen könnten, dann ließe sich die Schweiz mit Mitteln von lediglich der Größenordnung einer Expo.02 binnen wenigen Jahren an die technologische Weltspitze katapultieren.
TZN: Woher kommt Ihr eigenes Interesse für die Raumfahrt und die Himmelsmechanik?
Stanek: Es begann nach erstem Staunen über den Sternenhimmel so etwa 1957 mit dem Beginn des Weltraumzeitalters, als mir einige Lichter aufgingen. Allerdings kam ich in meiner Umgebung nicht auf die Idee, dass man überhaupt Pilot oder gar Astronaut werden könnte – meine “Raketen” stiegen daher weniger hoch. Ich wählte die umgekehrte Reihenfolge: Erst Hals- und Beinbruch und ein Jahr im Spital, dann noch größeres Raumfahrtinteresse, allerdings mehr theoretischer Art, und so wurde ich Mathematiker und Himmelsmechaniker, dienstuntauglich und nicht dem Zwang verfallen, noch “Unmöglicheres” zu versuchen…