«Undank ist der Welt Lohn»

Erschienen im Nebelspalter Dezember 2001

Amerika, du hast es schwer. Nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg der Europäer fing es erneut in Sarajevo und Umgebung an. Auch bei Kuwait und Kabul zeuselten bald wieder die Brandstifter der Gestrigen Welt. Kaum sind die Feuer gelöscht, meist zügiger, als wenn es nach den Prognosenvollstreckern gegangen wäre, beklagen die Zuschauer, wegen der Feuerwehr seien sie sogar nass geworden! Heilige Einfalt – was wäre wohl passiert, wenn die Feuerwehrleute nicht gekommen wären? Da zeigen die Tagesschauen eindeutig beschriftete Getreidesäcke, mit welchen die angeblichen Feinde Amerikas seit Jahren am Verhungern gehindert werden, und männiglich schimpft über die Bomben gegen die Verursacher des Elends. Für sie treffen Amerikas Flugzeuge immer nur Schulen, Kinder, Spitäler und Schwangere. Keinen einzigen Krieger natürlich. Niemand erklärt allerdings, warum die wollbemützten Weltverbesserer trotzdem schon nach zwei Monaten jeden Widerstand aufgeben, wo doch die Russen vor ihnen nach zehn Jahren mit Schimpf und Schande den Rückzug antreten mussten.

Ausgerechnet die verhassten Amerikaner wurden nun aber, wie 1945 in Europa, als Befreier empfangen! Jetzt endlich sind die zusammengetrommelten europäischen Hilfstruppen zum Einsatz bereit und die Schweiz kann ihren Beitrag in Form eines Überflugverbotes aufheben. Neutralität! Die Normalität ist nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan viel schneller eingetreten als die gar nicht neutralen Fernsehanstalten ihre Strategieexperten auswechseln konnten oder der ständig herbeigeredete Winter hereinbrochen ist. Ein berühmtes Sprichwort kam zur Anwendung: “Sobald sich der Erfolg einstellt, ändern die Kritiker ihre Meinung”. Soll man nun auch zur Tagesordnung übergehen, wie das die Medien so verdächtig schnell getan haben? Besser doch erst, nachdem einige Fragen gestellt sind und aus der Geschichte etwas gelernt worden ist.

Eigentlich hatten die noch Wochen nach dem 11. September 2001 in Europa geschonten Terroristen ihre TV-Beiträge schon für den Milleniumswechsel geplant. Die wachsamen USA und ihre Grenzpolizei Richtung Kanada hatten die Show jedoch erst einmal verdorben. So musste die Special Effects-Truppe von Osama dem Grossen mit der ganzen Regie nach Hamburg, London, Madrid und Paris umziehen, wo man ihr ahnungsloser gegenüberstand. Die 100-Tonnen-Molotow-Cocktails auf Kosten von American Airlines wurden nun eben von noch längerer Hand in zwei der schönsten Hochhäuser des Planeten gesteuert. Schweizer Touristen werden jetzt vor allem die Aussicht auf New York und die wunderschönen Restaurants dort oben vermissen. Nach 28 Jahren High Life im ungelobten Land, und für immer.

Müssen vielleicht wir gar nichts lernen – nur unsere Medien? Doch, es täte beiden gut. Zum Beispiel die Lebensweisheit, wonach die Art und Weise, wie dem Besten einer Schulklasse das Leben sauer gemacht wird, nur die Hauptprobe zu einer Aufführung ist, welche anschliessend ein Leben lang mit den verschiedensten Besetzungen gespielt wird.

Eigentlich unfair, einem Präsidenten Bush zum Beispiel “unüberlegte Worte” und “Kriegshetze” vorzuwerfen, wenn dieser dem amerikanischen Volk nach einigen pietätsvoll abgewarteten Tagen verspricht, die Verantwortlichen für den Tod von 3000 absichtlich Getroffenen bis ans Ende der Welt zu verfolgen. Anderseits aber die schauerlichsten Drohungen der Taliban, die USA und mit ihnen die ganze westliche Welt vom Planeten wegzufegen, im gleichen News-Beitrag nicht einmal zu hinterfragen! Im Gegenteil: es wurden deren permanent als falsch entlarvten Meldungen “neutral zitiert”. Zum Beispiel die Zahlen von “Zehntausenden von zivilen Opfern”. Aus der Nähe besehen, hatten diese plötzlich zwei Nullen weniger, obwohl die Gotteskrieger ihre Flugabwehrgeschütze doch so schön auf Spitälern und Schulhausdächern platziert hatten, damit die Kameraleute nicht lange nach brauchbarem Bildmaterial suchen mussten.

Fairness gibt es offenbar nur im Sport. Bei der Weltmeinung gewinnt meistens das Feld, nicht der Leader.

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