«Warum auch einfach, wenn es kompliziert geht?»
im Bote der Urschweiz Winter 2007
Kürzlich staunte ich wieder einmal, wie eine einzige Radiosendung einen Bestseller bewirken kann, nur weil man darin auf ein paar pikante Themen aus einem Buch zu sprechen kam. In der Publikation ging es um die Karikierung von salonfähigen bis äusserst beliebten Irrtümern. An sich ein peinliches Thema, über das die Leute sonst lieber Stillschweigen bewahren. Eine ganze Sammlung von verkehrten Vorstellungen kam hier zur Sprache, die kraft irgendeines wichtigen Amtes nicht mehr als solche erkannt werden oder werden sollen. Wer über Jahre Material zu einem solchen Buch zusammengetragen hat, kann nach Fertigstellung des Werkes nicht einfach aufhören mit der Arbeit. Er entdeckt vielmehr fast täglich neue Beispiele, die eigentlich schon in die erste Auflage gehört hätten! Der Autor kann also von Glück reden, wenn der Bestseller schon eine Neuauflage erzwingt, bevor diese unmöglich umfangreich geworden ist! Ein ganz neu beigefügtes Beispiel hatte nun mit der Schweiz zu tun, und ich möchte es mit den Bote-Lesern teilen. So unmittelbar nach dem Jahreswechsel hatten wir ja alle sehr viel Post zu verschicken und haben uns dabei so unsere Gedanken gemacht. Zum Beispiel folgende: Die Postleitzahlen hatten ursprünglich den Zweck, erstens die Steuerung der Postströme bei der Verladung an den korrekten Bahnhöfen zu vereinfachen und zweitens die in früheren Jahrhunderten verbrochenen Ortschaften gleichen Namens eindeutig unterscheiden zu können. Man hätte ja einen Irrtum verhindert, wenn daraus gelernt worden wäre! Statt nun wirklich jeder Ortschaft (oder Poststelle in grösseren Städten) ein für allemal eine eindeutige Nummer zuzuordnen, gab es nun erneut mehrere Poststellen mit gleicher Nummer, welche als Text im Alphabet sogar weit auseinander liegen und somit zu den groteskesten Problemen führen können! Dies sogar in der kleinen Schweiz, wo man entweder (aus Spargründen?) auf fünfstellige Postleitzahlen verzichtet oder dann die theoretisch 9999 vierstelligen nicht voll ausgenützt hat. Der Gelbe Riese darf wählen, was hier zutrifft. Nach Jahren wurden sogar ganze Ortschaften umnummeriert: z.B. wurde eines Tages aus 5262 Frick von einem Tag auf den anderen 5070 Frick! Ende 2006 fand der Internet-Suchdienst Google neben gut 100’000mal “5070 Frick” immer noch über 100 Dokumente, wo es weiterhin hoch aktuell datiert “5262 Frick” hiess, weil zwei Jahrzehnte immer noch nicht zur restlosen Tilgung der alten Einträge ausgereicht hatten! Statt in der Post-Software des Landes, nach eingetretenem Unheil, eine auch in Zukunft flexible indirekte Nummerierung einzuführen, zwang man Hunderttausende von Bürgern zum Neudruck ihrer Visitenkarten und Geschäftsdokumente! Soviel Irrtum brauchte eine florierende Wirtschaft. Ob sich wohl andere Länder auch so viel staatlich verordneten Schwachsinn leisten konnten? Kaum. Nur in der Schweiz staunten sogar die Zürcher Telefonabonnenten eines Tages, dass auch bei ihnen die Druckereien wiederholt zu tun bekamen. Nach der Umstellung auf siebenstellige Nummern folgte erst mal der Wechsel auf die Vorwahl 01 (noch früher 051!). Wie oft in der grössten Stadt eines Landes ist 01 recht sinnvoll. Dann wurde wenige Jahre später die staatliche Allmacht mit „044“ (früher die Vorwahl im recht ähnlichen Kanton Uri) trotz massivem Protest nachgedoppelt. Gravierende Änderungen zum dritten Mal, während die Telefonnummer z.B. von Freunden in den USA unserer Lebtag lang gleich blieb – oder dann zumindest die reine Rufnummer. Warum also auch einfach, wenn es kompliziert geht?! Solche Kontraproduktivitäten sind natürlich nicht gratis, weshalb unsere Post auch nicht billig ist. Der Postbenützer ist sich solcher Fehlentscheide ebenso bewusst wie Tausende von Angestellten an der Front, welche oft selber darunter leiden. Die Gralshüter des Irrtums sitzen aber offenbar viele Stockwerke höher, nicht in z.B. Goldau, wo ich mir wünschte, die Postdienste würden bis ans Lebensende gleich gut bleiben – nur nicht teurer.