"Mit 25 Jahren kommentierte Bruno Stanek die Mondlandung, heute kommentiert er die Welt" Mittwoch 15 Uhr, Arth, am Zugersee. Viel grünes Land, wenig Häuser, die Hauptstrasse schlängelt sich dem See entlang. «Fahren Sie die erste Strasse rechts, dann nochmals rechts und dann ist es das hinterste Haus rechts, » erklärt Bruno Stanek am Telefon. «Und sonst fragen sie halt, mich kennt hier jeder.» Nach dem ersten Rechts stehe ich in einer Mikro-Sackgasse. Wieder hat man ihn nicht verstanden. Für ihn zählen nur richtige Strassen und er kommt schnell zur Sache: Er hat diesen Schweizern sogar angeboten vorbei zu kommen, dabei zu sein, wenn sie das Mosaik zusammensetzen, aber nein, und das hier ist das Resultat. Auf dem Schreibtisch liegt etwas, das aussieht, wie eine Handarbeitsanleitung für das Besticken eines Zierkissens mit Kreuzstichen. Da und dort hat er mit rot und grün korrigierend eingegriffen. Zur Erläuterung einer Kontaktaufnahme mit Ausserirdischen, soll vereinfacht ausgedrückt, das Mosaik dienen, das im Mystery Park einen zentralen Platz gefunden hat, «dort wo die Männer auf ihre Frauen warten, wenn die auf der Toilette sind.» Sein Ostschweizer Dialekt schraubt sich in die Höhe: «Entschuldigung, aber auf solche Plattenleger könnte man schon wütend werden.» Stand am Klingelknopf von Däniken? «Die Bibel geht doch von so viel Undefiniertem aus, und alle behaupten, sie hätten es verstanden.» Stellvertretend für die Sünden der Menschheit erklärt er mir das System des Mosaiks: Das kleine Einmaleins interstellarer Kommunikation, Periodizität, Binärzahlen, Faktorzerlegung, chemische Elemente, universell gemeinsames Metermass Wellenlänge… Familie Stanek lebt seit 23 Jahren in einem alpenrosa gestrichenen Einfamilienhaus, mit Garten, das Hausdach absolut symmetrisch. Will man zur Familie Stanek, muss man zuerst eine rosa gestrichene Betontreppe mit dunklem Holzgeländer hinauf und an der Tür im ersten Stock läuten; will man zur Firma Stanek, klingelt man im Erdgeschoss, dort hat Bruno Stanek sein Büro. An den Wänden hängen Abzeichen der NASA, alles erdenkliche über Weltraumstationen, Weltall und Raketen. Selbst am Revers der weissen Anzugsjacke, die an der Garderobe über dem Bügel schaukelt, steckt ein goldenes Space Shuttle im Knopfloch. Heute trägt Bruno Stanek Hellbeige und Weiss, von den Schuhen bis zum Hemd, «oft an Tropentagen sonst trage ich fast alle Pastellfarben ausser grün.» Lange Zeit war es in den Medien stiller um Stanek gewesen, der im jugendlichen Alter von 25 Jahren die Kommentare zur Mondlandung 1969 im Schweizer Fernsehen lieferte. Das brachte ihm nationale Bekanntheit, gekrönt mit Titelbildern in den grossen Illustrierten. Dann kamen die Nicollier-Flüge, das 30-Jahre-Mond-Jubiläum, und man erinnerte sich an «unseren Mann im Mond», und Stanek wurde erneut von den Medien belagert und befragt: Wie war das damals, wie erlebten sie dies und jenes? Und er kam erneut in Hochglanz aufs Titelblatt der Schweizer Illustrierten. Dazwischen war der Mathematiker immer wieder als Raumfahrt-Experte gefragt, reiste mit Vorträgen durch die Welt, beobachtete, wenn immer möglich, die Abflüge der Space Shuttles in den Staaten. «Ich kenne 78 Astronauten und Kosmonauten persönlich.» Und er publizierte Bücher. Jüngst erschienen sind zwei DVD mit allem wissenswerten übers Weltall, «für nur 98 Franken. Weniger als ein Lexikon über Wein.» Aus seiner Stimme klingt Ironie. Wein vor Wissenschaft, typisch! Darf das sein? Das fragen sich wohl auch Wissenschaftler bei seinem Engagement beim Mystery-Park. Stanek hat hier das "Drehbuch" für die Mosaiken und den Vorfilm im Challenge-Pavillon geschrieben und auch die grösste Meteoritensammlung der Schweiz (echte Ausserirdische!) vermittelt. «Auch mir werden nach Vorträgen Fragen zum unbekannten Leben im Weltall gestellt», erklärt er seine Intention. «Antworte ich nicht, gilt das als elitär, antwortet man, heisst es trotz vorsichtigsten Formulierungen, das ist ja das, was von Däniken sagt.» Und ? «Ich bearbeite denselben Acker wie Erich, aber mit anderem Gerät. Und dass es ausser uns weiteres Leben im All geben kann, diese Meinung wird heute von allen ernsthaften Wissenschaftlern, auch bei der NASA, geteilt.» Diese Woche hat Bruno Stanek das ganze Haus für sich. Seine Frau, erst Pharmaassistentin, dann Flightattendant zu Balair-Zeiten, ist die ganze Woche unterwegs, ebenso sein jüngerer Sohn, der sich vor dem Studium ein Jahr Auszeit in die weite Welt genommen hat. Auch der älteste, 23-jährige Sohn mit dem mythischen Namen Ganymed, der an der ETH Elektrotechnik studiert. Den Jüngeren hat er gerade zum Bahnhof Goldau gebracht und bei der Gelegenheit einen «köstlichen Royal Burger» bei McDonalds gegessen. Obwohl er selbstverständlich das eine oder andere kochen könnte. Aber wenn schon ein Burger, dann aus gutem Rindfleisch mit Salat, wie bei den Amis, nicht Fondue und Schwerverdauliches, «bei dem sich auch Touristen aus Asien traditionell übergeben.» Stanek schwört auf Amerika, nicht auf ewiggestrige Welten, «wer ist es denn, der die Weltordnung aufrecht erhält?», und tritt im Gegenzug auch kraftvoll gegen das nationale Schienbein. Es ist fast so, als wären die Blätter des Satire-Magazins «Nebelspalter», die sein Vater früher mit nach Hause brachte, da er dort die Reproabteilung leitete, in Brunos Fleisch und Blut übergegangen. «Ich halte uns Schweizern, die wir so gut im Austeilen sind, nur ganz gerne den Spiegel vor.» Wortwitz, Sprachgewandtheit. Stanek beherrscht die Sprache und zudem noch süddeutsche Dialekte, «ein Hobby», und spricht sogleich einige Sätze Schwäbisch und «bestellt» an seinem Arbeitstisch sitzend ein Bier auf Bayrisch. «Man muss ja nicht immer gleich als Schweizer erkannt werden.» Bei uns in der Schweiz «dürfen jene am stolzesten sein, die es trotz ihrer Dummheit zu viel Geld gebracht haben.» Anders als nach dem Krieg noch Deutschland, wo man etwas hätte leisten müssen, um überleben zu können. Das habe ihm schon immer imponiert. Obwohl, auch die hätten es heute geschafft, den Staat in den Ruin zu treiben. Die geistige Nähe zur deutschen Kultur ist eine Folge von Staneks langem Spitalaufenthalt in München. Als neugierigen und schon damals wissenschaftlich interessierten Jüngling ereilte ihn das Schicksal vieler Feuerwerker und zerfetzte seine linke Hand. Auch seine Rechte weist noch tiefe Narben auf. Sicher war dieser Unfall mit ein Grund, weshalb er sich voll und ganz dem Geist verschrieben habe und an der ETH erfolgreich in Mathematik abschloss und promovierte. In der Hochschule fühlte er sich, v.a. nach seinen ersten Fernseherfahrungen, nicht mehr daheim. «Von mir stammt das Sprichwort: <In der akademischen Welt wird nicht die Breite der Pfoten, sondern die Länge der Krallen gemessen.>» Ihn faszinierte Zeitlebens breites Wissen, der Wunsch nach universeller Kenntnis, und dem könne man an Hochschulen kaum nachgehen. «Da wird bald einer zum Spezialisten, in dem er sein Wissen so lange halbiert, bis er der einzige ist, der was davon weiss. Doch das bringt meist nur seiner Karriere etwas, nicht aber der Menschheit.» Die Häme des in akademischen Kreisen verschmähten Wissenschaftlers? «Nein, sonst hätte ich hier keine Lachfalten.» Und er zeigt auf seine makellose Partie um die Augen. Mit 60 Jahren sieht Stanek beinahe unverschämt gut aus. Man gerät darob sogar in Versuchung, den Mathematiker und Weltraumexperten um Schönheitstipps zu bitten. «Regelmässig schlafen und gesund essen.» Das wars. «Ich kenne das Geheimnis des Schlankbleibens» triumphiert der Faltenfreie und erklärt: «Man muss auch mal zwei Stunden Hunger haben können, dann hört er von selber auf, weil der Fettabbau anfängt.» Immer nur Verzicht? Wenig Sport gönnt sich der Mann und zeigt auf ein überaltertes Hometrainer-Modell, das da in einer Ecke steht. Ja, intererssante Arbeit würde einen schon auffressen, die irdischen Freuden könnten heute intensiver sein, resümiert Stanek. Und blickt zurück auf die Zeit vor seiner Hochzeit mit 36 Jahren. Da gabs noch Berg- und Höhlen-Wanderungen, etwa auf den Kilimandscharo. Stehend schlafen, Sauerstoffmangel, Anstrengungen, die er heute kaum mehr durchhalten würde, weshalb er auf einen Flug auf den Mars verzichten möchte, «da hätte ich wohl eine Migräne.» Mars erlebe in diesem Jahr eine wissenschaftliche Invasion, noch keinen Exodus. Einige Millionen, keine Milliarden, Menschen könnten dort leben, ist sich Stanek sicher. «Mars ist eher eine Eliteschule als ein Expansionsgefäss für die Erde.» Wann wir da oben leben werden: «In zwanzig Jahren möglich, in fünfzig Jahren sicher möglich, wenn wir es in hundert Jahren nicht geschafft haben, haben wir versagt!» erklärt der Experte. Denn Versagen wäre es in Staneks Augen, wenn wir trotz all unseren Möglichkeiten das Überleben nicht sichern könnten. «Von den Dinosauriern konnte man nicht verlangen, dass sie an den ausserirdischen Imperativ denken, aber von uns kann man das wohl. So, und jetzt zeige ich Ihnen mal meine neue DVD». Sagts und setzt sich an den Computer, fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Programme starten. «Für Sie ganz persönlich etwas Avantgardismus: das Interview mit dem virtuellen Autor, da steckt dereinst mein ganzes Leben drin.» Gibt man eine Frage ein, erscheint eine handgeschriebene Antwort. Klick, klick. «Und dieser Trickfilm ist aufgebaut aus 200 Differenzialgleichungen…». Ich klicke mich schon mal aus. Da hat er es mit seiner Frau besser: Die lässt sich von ihm abends gerne den Sternenhimmel erklären. Stanek, der Romantiker. «Damit sie die Diskussionen besser geniessen kann, wenn sie an Vorträgen von Zuhörern auf das Thema angesprochen wird.» Ja, die Vorträge, die haben ihn gelehrt, was die Menschen verstehen und was nicht: «35 Jahre Weltraumberichterstattung vor Publikum, durchmischt nicht selten mit Ignoranten jeglichen Kalibers, helfen mir beim Messer schleifen», sagt der Mathematiker und Weltraumexperte und gibt noch enen Tipp für den Heimweg: «Fahren Sie jetzt rechts lang, die meisten fahren links weil sie dort den See sehen.» Und Stanek winkt zum Abschied. |